Vom Scheitern und Neubeginnen
„Angelika, schreib doch mal, dass auch dir Bilder misslingen. Das würde mich beruhigen“, sagte mal eine Kursteilnehmerin zu mir. „Es sieht so aus, als würde bei dir immer alles klappen“.
Ich darf euch beruhigen, ja, auch mir misslingen Bilder. Ich würde sie nur nicht so nennen, denn sie sind dann aus meiner Sicht einfach noch nicht fertig. Oder sie sprechen nicht zu mir, d.h. ich habe keine wirkliche Verbindung zu ihnen. Außerdem male ich sehr, sehr viel und schon sehr lange, deswegen macht es mir nichts aus, dass nicht jedes Bild etwas wird. Das entspannt ungemein. Diese Bilder kann ich wirklich leichten Herzens überarbeiten, um interessantere Lösungen zu finden.
Aber es stellt sich zuerst die Frage, was ist denn misslungen? Wenn nicht das herauskommt, was wir erwartetet haben? Wenn das Bild nicht schön ist? Es nicht perfekt genug ist?
Was misslungenen ist, liegt im Auge des Betrachters. Häufig stelle ich fest (und nicht nur ich, sondern auch die anderen Kursteilnehmer), dass, objektiv betrachtet, die Bilder gelungen sind. Auch wenn die MalerInnen frustriert sind und das Gefühl haben, nichts gelingt. Es ist nur ein Gefühl, eine Momentaufnahme und keine Tatsache. Wenn du malerisch neue Techniken probierst oder wenn du immer nach Vorlage arbeitest und nun plötzlich frei arbeiten möchtest, wird dir das beim ersten Mal vielleicht nicht leicht fallen. Schnell entsteht da das Gefühl, nichts zu können. Auch wenn du im Gegenständlichen unterwegs bist und den Wunsch hast, dich in die Abstraktion zu begeben, ist das ein langer Prozess und du musst es immer wieder tun, um Sicherheit zu erlangen. Es immer wieder üben und üben.
Deswegen kommt heute mein Plädoyer für das Arbeiten mit nicht Geglücktem! Über das von mir ungeliebte Wort „Verschlimmbessern“ hatte ich ja schon einmal geschrieben. Also stürze dich ins „Verschlimmbessern“. Die Chance, ein aus eurer Sicht misslungenes Werk völlig befreit neu zu interpretieren, solltet ihr euch nicht entgehen lassen. Es ist ja schon verloren und wird als schlecht klassifiziert. Wobei ich wirklich versuche, euch dazu zu bringen, nicht jeden Pinselstrich zu bewerten. Ein zweites Leben für ein Bild, das schon reif für die Mülltonne war und wiederbelebt wird. Da können sich ungeahnte Möglichkeiten auftun, denn schlimmer wird es ja nicht mehr.
Also könnt ihr mutig Neues wagen.
Wichtig ist deine innere Haltung. Damit kannst du deine Sichtweise verändern. Denn wenn du dich über vermeintlich Misslungenes ärgerst, verstärkst du das Gefühl, versagt zu haben und entspanntes Arbeiten ist dann schwer möglich. Das ist also keine Option, oder? Selten sind wir zufrieden mit dem, was wir haben. Das ist so ähnlich wie mit deinen Haaren. Wenn du Locken hast, möchtest du eher glatte Haare und umgekehrt, oder? Deswegen schnellen die Verkaufszahlen von Frauenzeitschriften in die Höhe, wenn auf dem Titelblatt neue Frisuren (oder Diäten) angekündigt werden.
In einem Kinderkurs stellte ich mal die Aufgabe, das hässlichste Bild der Welt zu malen. Dabei durften die Kinder alle Farben miteinander verrühren um braun-grau-schlammfarbene Untergründe zu malen. Natürlich war der Plan, sichtbar zu machen, was passiert, wenn zu viele Farben gemixt werden. Die Kinder (besonders die Mädchen) waren entsetzt und weigerten sich zunächst, hässliche Bilder zu malen. Nein, das möchten wir nicht, sagten sie. Erst als ich erklärte, das wir aus dem hässlichsten Bild das Schönste machen würden, waren sie bereit, sich darauf einzulassen. Mit großer Freude durften sie nun endlich das tun, was sonst nicht gewünscht ist.
Nach dem Trocknen malten wir auf die düsteren Untergründe mit weißer Farbe eine Winterlandschaft mit verschneiten Tannen, Schneemann, Tieren und Schneeflocken. Und schlagartig wurde aus hässlich schön. So schnell kann es gehen.
Kürzlich las ich im Netz einen Spruch: „Besser interessant misslungen als perfekt langweilig“. Das ist doch mal ein Ansatz. Erlaube dir doch ab und an mal etwas misslungen Interessantes oder sogar Hässliches zu malen, einfach zum Spaß. Das lockert ungemein!!
Viel Freude bei allen Experimenten,
lass Farbe fließen,
Angelika
1. Mai 2020
Hallo, Angelika, mein Name ist Ellen und ich bin gestern bei der Suche nach “Malen auf schwarzem Grund” auf Ihre Website gestoßen. “Vom Scheitern und …” hat mir wieder etwas Mut gemacht. Weil – in meinem Kopf ist alles klar, aber meine Finger hams nicht kappiert. Ich “male”, gestalte noch nicht so lange. Steh mir selber im Wege. Bin eher so der praktischere Typ und dass ich etliche Jahr als Bauzeichner gearbeitet habe (in einer längst vergangenen Zeit, wo alles noch schön präziese mits Pfötchen gemacht wurde), hilft mir natürlich nicht. Zudem möcht ich gerne Bilder gestalten, die sich je nach Lichteinfall oder Position des Betrachters verändern. Bei einigen Versuchen habsch gewisse Teilerfolge erzielt, aber … Will noch nicht aufgeben. Um gewisse Effekte zu erreichen, hab ich mit Metallicfarben und stumpfen Acrylfarben gearbeitet. Und auch einige von meinen Leinwänden haben mehrere Metamorphosen durchlaufen. Und was ich besonders schlimm finde, wenn ich meine Werke betrachte, kann ich einfach nicht über diesen oder jenen Strich hinwegsehen, der nicht geglückt ist – auch wenn das anderen nicht aufzufallen scheint. Doch genug jetzt, ich musste einfach mal schreiben, da mir Ihre Texte sehr gefallen haben.
Ähh und die Bilder natürlich auch. Herzliche Grüße aus Thüringen von
E&E
1. Mai 2020
Hallo liebe Ellen, danke für dein positives Feedback! Ja, es ist manchmal ein langer Prozess und es geht immer weiter in der Entwicklung. Auch ich habe vor 15 Jahren noch ganz anders gemalt. Das eigene kritische Ich steht dabei häufig am meisten im Weg. Aber auch das kann sich im Laufe der Jahre verändern. Mir gelingt es immer besser den inneren Kritiker zum schweigen zu bringen. Wichtig ist es herauszufinden, welcher Strich wirklich wichtig ist für deinen Ausdruck im Bild. Viel Freude bei der weiteren Suche!
Liebe Grüße Angelika