Seit Längerem hatte ich die Idee, einen Blogartikel über Vertrauen zu schreiben. Über das Vertrauen zu sich selbst, damit Unsicherheiten und Zweifel an der eigenen Kreativität überwunden werden können. Aber auch über das Vertrauen in unsicheren Zeiten, dass alles gut wird.
Allerdings war mir zugegebenermaßen in den letzten Monaten hin und wieder selbst das Vertrauen abhanden gekommen. Ich habe alles hinterfragt, was zuvor als gesetzt und mir wichtig erschien. Der tägliche Blick auf die Infektionszahlen war da auch nicht förderlich. Das letzte Corona-Jahr hat mich mehr gestresst, als ich zunächst dachte und zugeben wollte. Ich war plötzlich sehr müde und erschöpft. Die apokalyptisch wirkenden Zustände in der Welt verstärkten diesen Zustand und belasteten zusätzlich.
Deswegen habe ich den Weg gewählt, der mir sinnvoll und hilfreich erschien.
Einen Rückzug in mich selbst. Ich habe versucht, mich weniger nach Außen zu orientieren. Sondern hineingespürt, wie ICH diese Zeit am besten überstehen kann.
Ich habe mich in den letzten Monaten rar gemacht und mir quasi ein unfreiwilliges Sabbatical genommen und verordnet. Habe Kraft getankt. Am Anfang des zweiten Lockdowns, meiner Aufgabe erneut beraubt, empfand ich hektische Betriebsamkeit, die Tage mit Taten zu füllen. Videos drehen, Blogartikel schreiben, Texte verfassen, Buchideen entwickeln und und und. Backen, kochen, nähen, Sport. Aber nach und nach ist es mir gelungen, das Tempo herunterzufahren. Etwas ungewohnt war es schon, nur Dinge zu tun, die ich möchte und nicht Dinge, die ich meinte tun zu müssen oder die auf meiner To-Do Liste standen. Es fühlt sich für mich immer besser an, die Ideen mit Power voranzutreiben. Schon Stillstand empfinde ich häufig wie Rückschritt. Ich möchte ja etwas bewegen und die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit spüren.
Der Rückzug gab mir aber plötzlich Raum, über Wesentliches nachzudenken.
Zum Bespiel über meine Ressourcen:
Was kann ich gut? Was habe ich schon gelernt?
Was macht meine künstlerische Arbeit speziell? Was macht mir besonders Freude?
Woraus besteht mein Handwerkszeug?
Oder auch:
Wie kann ich mir Zeitfenster schaffen, die Dinge zu tun, die mir Freude machen?
Was ist absolut notwendig, damit ich zufrieden bin?
Fehlen mir dafür Fertigkeiten?
Was möchte ich noch lernen?
Mit welchen Themen möchte ich mich zukünftig befassen?
Wie möchte ich die nächsten Berufsjahre verbringen?
Wie will ich leben?
Dies sind große Fragen, ich weiß. Die Antworten kann sich nur jeder selbst geben.
Ein erster Schritt können dabei zunächst die kleinen Fragen sein, um wieder ins Tun zu kommen.
Mit welchen Farbtönen möchte ich beginnen?
Welches Werkzeug nutze ich für den Farbauftrag?
Welches Material verwende ich?
Mehr musst du nicht wissen, um wieder in den Prozess zu kommen, wenn es an der Zeit ist, wieder zu beginnen. Im Vertrauen, dass der Rest sich schon entwickeln wird. Die Antworten stecken schon in dir. Gib dir den Raum, sie wahrzunehmen. Es ist alles schon da.
- Etwas ungewohnt Düsteres wollte aus mir heraus....
Selbstwirksamkeit
Die Beschäftigung mit diesen Fragen bringt mir zudem erneut ins Bewusstsein:
Ich habe eben doch mehr Möglichkeiten in den eigenen Händen, die Dinge für mich positiv zu beeinflussen und zu gestalten. Pandemie hin oder her. Langsam gewinne ich Klarheit. Die Energie ist wieder da.
Diese Selbstwirksamkeit kann auch auf unser künstlerisches Schaffen bezogen werden. Wenn du dir sicher bist, dass alles gut wird und dir Schritt für Schritt ein für dich gelungner Bildaufbau gelingt, wird dies auch eintreffen. Das Vertrauen in dich und deine künstlerische Fähigkeiten spielen dabei eine große Rolle. Das bringt unter anderem die immer wiederkehrende positive Erfahrung, den Weg zum gelungenen Bildaufbau eigenständig zu finden. Das entspannt ungemein und es wird früher oder später wieder gelingen. Das heißt für dich, je häufiger du es tust, desto mehr Vertrauen in dich wirst du in dieser Hinsicht bekommen.
Eine andere Möglichkeit, die Selbstwirksamkeit zu steigern ist, sich Vorbilder zu suchen oder sich von anderen Mut machen zu lassen. Wenn es anderen gelingt, warum also nicht auch dir? Da kann das Malen in der Gruppe sehr hilfreich sein oder positive Bestärkung aus deinem Umfeld. Wenn andere Menschen an deine Fähigkeiten glauben, wird es dir selbst helfen, Vertrauen zu finden. Hüte dich deswegen vor negativen Kommentaren zu deiner Kunst und belasse diese bei den Personen, die sie geäußert haben. Deine Arbeiten müssen nicht von allen verstanden werden und schon gar nicht allen gefallen. Auch die Entwicklungsprozesse können Außenstehende manchmal gar nicht nachvollziehen.
Resilienz
Bei der Recherche für diesen Artikel fiel mir auch der Begriff Resilienz ins Auge.
Resilienz ist laut Wikipedia „...der Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren. Dieser Prozess umfasst unter anderem:
Faktoren, die Resilienz begünstigen (z. B. Ressourcen) und
Konsequenzen (z. B. Veränderungen im Verhalten oder in Einstellungen).
Resilienz kann einen wichtigen Beitrag zur Fähigkeit eines Einzelnen leisten, sich zu erholen oder auf Herausforderungen und Veränderung zu reagieren. ...“
Da habe ich doch intuitiv den richtigen Ansatz gewählt, mich mit meinen Ressourcen zu befassen und mich zurückzuziehen, um wieder Kraft zu schöpfen. Viellicht hilft es auch dir?
Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben.
Johann Wolfgang von Goethe
Plötzlich ist Ruhe in mir und ein bisschen mehr Gelassenheit. Und auch mein Vertrauen spüre ich wieder. Jetzt wo das normale Leben stellenweise zurückkehrt und ich mit meinen MitmalerInnen wieder in direkten Kontakt komme, kann ich auch sagen: Ich habe Euch vermisst.
Und ja, ich bin immer noch hier.
Wir sehen uns.
Viel Freude bei allen Experimenten, lass Farbe fließen,
Angelika
P. S. Oben siehst du eine Aquarellskizze, die auf einer realen Reise diesen Sommer entstanden ist. (Ja, ich war in Italien) Im Vordergrund der Fotomontage trage ich einen Rock, dessen Design du vielleicht aus dem letzten Blogartikel kennst 🙂
24. August 2021
Liebe Angelika,
ja, das sind die Fragen, die auch mich immer noch und immer wieder umtreiben.
Ich habe gerade vor wenigen Tagen endlich (!!!) wieder meine Malsachen herausgeholt und für einen Neuanfang eines deiner Videos angesehen und selbstverständlich Blogeinträge gelesen. Jedes und jeder eine so enorme Unterstützung und Bereicherung. Wenn du dich also mal wieder fragen solltest, „Wofür bin ich hier? Was ist meine Aufgabe?“ , dann aus meiner ganz persönlichen Sicht die Antwort „um genau das zu tun, was du tust: die Freude, die Lust und den Mut am Malen und die Kreativität anzustoßen.“ Danke dafür!
Ich hoffe sehr, bald einmal wieder einen deiner Kurse besuchen zu können!
Liebe Grüße, Heidi
24. August 2021
Liebe Heidi, danke für deinen Kommentar, der mich richtig gerührt hat! Es tut gut, ein solches Feedback zu bekommen. Vielleicht ist es nicht ungewöhnlich, dass wir uns solche Fragen stellen, weil unser Beruf ja auch “Berufung” ist. Die Beantwortung meiner Fragen macht mich dann aber auch wieder ganz sicher, am richtigen Platz zu sein. Dann kann ich wieder mit neuer Energie loslegen.
Es wäre schön, wenn wir noch einmal zusammen malen könnten 🙂
Lieben Gruß, Angelika
31. August 2021
Hallo Angelika, mal wieder hast du den Nagel auf den Kopf getroffen, viele Gedanken und Bedenken kommen mir sehr bekannt vor. Deine Blogs bestärken mich immer sehr auf meinem Weg, also mach auf jeden Fall weiter und laß dich nicht abbringen. Und natürlich freue ich mich auch sehr, dich wiederzusehen, schon nächste Woche bei Boesner!! (Daß ich endlich einen Platz ergattert habe, habe ich wohl dem Zögern anderer zu verdanken, also tatsächlich: danke Corona ;-)))
Liebe Grüße von Antje
1. September 2021
Hallo liebe Antje, herzlichen Dank für dein schönes Feedback. Ja, ich glaube diese Gedanken kennen Viele von uns, besonders zur Zeit. Da ist es umso schöner, die Gedanken wieder beiseite zu schieben und gemeinsam zu malen! Ich habe schon auf der Kursliste gelesen, das wir uns nächste Woche sehen! Ich freue mich 🙂 Lieben Gruß, Angelika