Wirkung der Ordnung im Bild

Was möchtest du ausdrücken?

Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, ob du mit deiner Malerei auch wirklich das ausdrückst, was du erreichen möchtest? Nehmen die Betrachtenden wahr, was du transportieren möchtest?

Früher habe ich mir gar nicht so tiefgehende Gedanken darüber gemacht, wie meine Malerei wirkt. Ich habe einfach gemalt und habe mich daran erfreut, dass es mir rein handwerklich gelungen ist, ein bestimmtes Motiv darzustellen.

Heute ist das anders. Je mehr ich einen eigenen Stil entwickele, desto mehr denke ich darüber nach, was genau ich erzielen möchte. Ich möchte, dass meine Bilder bestimmte Empfindungen auslösen beim Anschauen. Diese Empfindung sollte zu meiner eigenen Vorstellung, ja auch zu meiner Persönlichkeit passen.

Und da kommt auch schon die erste Hürde: Es heißt nicht, dass die Bilder stimmiger werden, je mehr ich darüber nachdenke. Leider ist oft genau das Gegenteil der Fall. Weil ich dann komplett im Kopf bin und das Bild dann auch verkopft wirkt. Die Betrachtenden können das genau spüren, ob ich während der Entstehung gekämpft habe oder ob das Bild mit großer Leichtigkeit entstanden ist und ich im Flow war.

Beim Beginn einer malerischen Karriere ist es zunächst einmal wichtig zu erproben, auf welche Art und Weise du die Farbe auf das Bild bekommst. Dazu ist es notwendig, dir das grundlegende Handwerkszeug anzueignen und auszuprobieren, mit welchen Werkzeugen du gerne arbeitest. Wenn du eine Bandbreite entwickelst, kannst du verschiedenen Anmutungen im Bild gestalten: z.B. ruhige Flächen, Verläufe, Strukturen, Übergänge, Transparenzen, Formen oder auch Flächen mit Pinselduktus. Natürlich hat jede:r eine eigene Handschrift und Vorlieben, aber um vielschichtige Bilder zu gestalten, brauchst du einen gewissen Fundus an Ausdrucksmöglichkeiten. Denn all das hat eine Auswirkung auf die Anmutung im Bild.

Wenn du in Hinsicht der Mal-Technik etwas versierter bist, kannst du dich mehr und mehr um die kompositorischen bzw. formalen Aspekte kümmern. Wenn du das Material im Griff hast, dann kannst du mit verschiedenen Anordnungen experimentieren.

Und glaube mir, selbst als professionelle Künstlerin kann ich die verschiedenen neuen Aufgaben nur nach und nach erfassen. Wenn ich z. B. mit einer mir unbekannten Farbe male, dann muss ich erst mal schauen: Was kann diese Farbe und mit wem kann sie gut. Wie kann ich das Material für meine Zwecke ganz individuell nutzen? Erst dann kann ich mich auf den Ausdruck damit konzentrieren. Oder wenn ich eine neue Technik erlerne, muss ich erst einmal sicher werden im Umgang damit. Anschließend kann ich mich um die Komposition kümmern und somit auch um die Wirkung meiner Komposition. Du siehst also, es geht einfach nur ein Schritt nach dem anderen.

Ich schreibe das hier so ausdrücklich, weil Malen manchmal so einfach aussehen kann, es praktisch aber schwieriger ist, als vorher gedacht. Der Klassiker ist hier: „Das kann ja jeder!“ Und beim Machen stellt sich heraus „Uups, ist ja doch nicht so einfach.“

Krikel-Krakel oder eine dynamische Darstellung?

Es gehört eben wie in allen Dingen eine intensive Auseinandersetzung dazu, um eine Weiterentwicklung zu erreichen. Deswegen solltest du nicht frustriert sein, wenn es dann eben doch etwas mehr Übung erfordert, genau das darzustellen, was du möchtest. Das ist ganz normal. Da hilft nur malen, malen, malen! Nur mit Übung kann es irgendwann locker gelingen, zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen.

Du hast also Übung und dir eine Bandbreite an Techniken erarbeitet?

Dann kannst du dich mehr und mehr der Frage widmen, wie deine Arbeiten wirken. Entsprechen sie deiner Persönlichkeit? Sicher hast du dich im Laufe der Zeit auch mit den Kompositionsregeln befasst. Hier gibt es so viele unterschiedliche Möglichkeiten, die ganz unterschiedliche Wirkungen vermitteln. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, sondern du solltest nur wissen, was eine bestimmte Darstellung ausdrückt.

Wie sind deine Bilder? Beschreibe deine Arbeiten mit ein paar Adjektiven:

Sind sie dynamisch oder statisch, zart oder schwer, geordnet oder locker, geometrisch oder leicht und luftig, fröhlich oder düster, weich oder mit vielen Kontrasten? Welche farbliche Stimmung überwiegt?

Schon alleine die Antworten auf diese Fragen werden dich ein Stück weiterbringen.

Und soll die Wirkung genau so sein, oder wünschst du dir eine andere Anmutung?

Zart oder schwer?

Hier dafür ein paar Tipps:

  • Helle Farben wirken luftiger im Bild als dunkle Töne, das ist dir ja wahrscheinlich bewusst.
    Alles was bläulich, gräulich, heller ist, geht mehr in die Tiefe.
  • Deckende Farbaufträge wirken häufiger schwerer als durchscheinende Schichten.
  • Geschwungene Linien mit Duktus wirken meist leichter und lockerer als gleich dicke, gerade Linien.
  • Sehr viele Senkrechten im Bild wirken statisch, Diagonalen schon dynamischer und sehr viele verschiedene Richtungen unter Umständen zu unruhig.
  • Viele geschlossene Formen wirken oft etwas steif und starr, ein lockerer offener Pinselduktus wirkt dagegen schon etwas lockerer.
  • Wenn du diese Formen noch mit Linien umrandest, wirkt die Gestaltung noch fester. Anders ist es, wenn die Linien frei platziert sind und mal darüber und darunter gehen. Das wirkt lockerer.
  • Formen oder Linien, die in den Anschnitt bzw. über den Bildrand hinweg gehen, geben der Gestaltung Halt, kleine Formen ohne Anbindung wirken schwebend.
  • Viele reine Farben ohne Zwischentöne wirken plakativ und erzeugen wenig Tiefe im Bild,
    die Verwendung von vielen verschiedenen Farbqualitäten und Helligkeiten bringen Tiefe ins Bild
Kühle Wirkung, aber viel Tiefe.

Manche möchten gerne ein allumfassendes Kochrezept, wie sie diese Kriterien anzuwenden haben. Weil das etwas Klarheit in die Unsicherheit bringen könnte. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn es kommt auf den genauen Mix der verwendeten Gestaltungsmerkmale an. Alles beeinflusst sich gegenseitig. Da hilft nur immer wieder zu fragen: Was sehe ich denn genau?

Fokus setzen

Ein wichtiger Aspekt ist, wie du die Betrachter im Bild lenkst. Immer dort, wo der stärkste Kontrast ist, lenkst du den Blick hin. Das kann ein Hell/Dunkel Kontrast sein oder ein Komplementärkontrast wie Rot/Grün oder Blau/Orange. Das kann aber auch einen etwas härter abgegrenzte Form sein, die sich vom weich strukturierten Untergrund etwas stärker abhebt. Mach dir bewusst, dass diese Kontraste zuerst wahrgenommen werden und den Blick halten. Dies bezieht sich auf gegenständliche Malerei ebenso wie auf abstrakte Arbeiten. Auch hier kann mit der unterschwelligen Wirkung der Formen und Anordnung gespielt werden.

Der Fokus liegt hier ganz klar auf dem Horizont.

Was ist dein Bildthema?

Eine gute Idee ist, diesem Bereich dann im Bild dann den größten Raum zu geben, damit das Bildthema auch für die Betrachter ersichtlich ist. Zum Beispiel: Möchtest du den Fokus auf den Wolkenhimmel lenken, dann räumst du dieser Fläche mehr Platz ein als dem Vordergrund. Geht es um die Figuren? Dann vergrößere diese doch mal so, dass sie fast in den Anschnitt des Bildraumes gehen. Sofort ist das Thema präsenter im Bild.

Ich halte nicht viel von allzu vielen, manchmal einschränkenden Regeln der Bildkomposition. Erlaubt ist, was gefällt. Deswegen heißt es ja auch freie Malerei!

Dennoch ist es wichtig zu wissen, wie deine Malerei wirkt, damit du ausdrucksstärker malen kannst!

Mein Grundsatz in der experimentellen Malerei mit Zufallstechniken ist: Einfach mal machen, dann erst wahrnehmen und weiter gestalten. So kann ich frei, intuitiv und expressiv arbeiten und im nächsten Schritt die Gestaltung ordnen. Auch so erhalte ich meinen unverwechselbaren Ausdruck, denn das Bild wirkt dann freier, als wenn ich vorher im Kopf oder auf Papier das komplette Konzept entwickelt habe.

Hier ist die Stimmung etwas frischer als beim Titelbild.

Wie möchtest du malen? Was soll spürbar sein beim Betrachten deines Bildes?

Hier auf dem Blog findest du bereits einige Texte zur Wirkung der Komposition, lies auch mal hier:

https://www.angelikabiber.de/2021/09/29/der-komplementaer-kontrast/

https://www.angelikabiber.de/2020/04/20/wie-erreichst-du-leichtigkeit-im-bild/

https://www.angelikabiber.de/2019/10/24/8-tipps-wie-du-die-tiefe-im-bild-steigern-kannst/

https://www.angelikabiber.de/2019/04/26/wie-schaffe-ich-eine-stimmung-im-bild/

 

Viel Freude bei allen Experimenten, lass Farbe fließen

Angelika

2 Kommentare

  1. Heike
    11. September 2023

    Deine Erklärungen und Beispiele sind äußerst anschaulich und haben mein Verständnis für dieses Thema vertieft. Deine Leidenschaft für die Fotografie und deine Fähigkeit, komplexe Konzepte verständlich zu vermitteln, sind bewundernswert. Danke, dass du dein Wissen und deine Einsichten mit uns teilst. Ich freue mich schon auf weitere inspirierende Beiträge von dir!
    Herzliche Grüße,
    Heike

    Antworten
    1. Angelika Biber
      11. September 2023

      Hallo liebe Heike, lieben Dank für deinen Kommentar, ich freue mich sehr darüber. Normalerweise schreibe ich einmal im Monat einen neuen Artikel, allerdings bin ich im Augenblick durch Urlaub und auswärtige Kurse wie Malreisen aus dem Tritt gekommen. Ich hoffe, dass ich jetzt wieder in meinen Rhythmus finde und ich bald wieder einen Eintrag veröffentlichen kann. Viele liebe Grüße, Angelika

      Antworten

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