6 Tipps zum Malen mit Qualitäts-Farb-Kontrasten

Oder was haben die Farbkontraste mit der Stimmung im Bild zu tun?

Über Farbkontraste habe ich hier schon häufiger geschrieben, einer der letzten Einträge dazu war der Komplementär-Kontrast. Siehe hier https://www.angelikabiber.de/2021/09/29/der-komplementaer-kontrast/

Der Komplementärkontrast ist, ähnlich wie der Hell-Dunkel-Kontrast sehr stark und wirkungsvoll. Viele Maler:innen verwenden diese beiden Kontraste bewusst, um zum Abschluss die Spannung der Komposition noch etwas zu erhöhen. Funktioniert immer und ist eine sichere Sache.

Etwas feiner, zarter und nicht so offensichtlich ist der Qualitätskontrast.

Vielleicht wendest du ihn auch unbewusst an und hast dir noch nie Gedanken darüber gemacht. Und ich muss zugeben, auch ich bin erst in den letzten Jahren darauf gekommen, mit diesem Farbkontrast bewusst zu spielen. Durch diesen Kontrast werden die Farbklänge komplex und vielschichtig und zugleich erhalten die Bilder damit sehr viel Tiefe.

1. Erzeugen des Qualitätskontrasts - quick und easy

Wenn du schon mal mit mir gemeinsam in einem meiner Kurse gemalt hast, kennst du meine Arbeitsweise. Ich wähle zu Beginn meist 2-3 Farbtöne und Weiß und Elfenbein (manchmal auch ein helles Grau) aus und verziehe (also mische) diese direkt auf der Leinwand, ohne Wasser, also mit dem trockenen Pinsel. Auf diese Art und Weise schaffe ich sehr einfach verschiedene Mischtöne, die sofort verschiedene Qualitäten haben. Wenn ich nun also die reinen Farben auftrage und nur stellenweise etwas vom Weiß, Elfenbein und Grau dazu nehme, erhalte ich, je nach Farbmenge, eine Vielzahl verschiedener Mischtöne. Alle Töne, die ich mit Weiß mische, sind frischer und kühler als alle Töne, ich mit Elfenbein erzeuge, denn diese erhalten einen etwas wärmeren, gebrochenen Klang, weil Elfenbein einen leichten Gelbanteil hat. Und ganz klar ersichtlich ist der Qualitätskontrast durch das zumischen von Grau. Dadurch bekommt jede Farbe einen trüben, etwas schmutzigen Klang. Davon nehme ich meist nur wenig, weil ich leuchtende Farbgebungen liebe und nicht so sehr die trüben, schmutzigen, gedeckten Klänge.

2. Reine Farben wollen alle nach vorne

Das Gegenteil des Qualitätskontrastes ist der Farbe-an-sich-Kontrast. Das bedeutet, die Farbtöne werden alle sehr rein, also in gleicher Qualität verwendet. Hier wollen alle Farben gleichermaßen nach vorne in den Blick des Betrachters und erzeugen sehr wenig Tiefe. Wenn du also immer nur mit den reinen Tubenfarben arbeitest und dir diese nicht zu weiteren Farbklängen mischst, werden deine Arbeiten etwas plakativer wirken. Ein paar dazugesetzte, gemischte Akzente in gebrochenen Tönen treten zurück und lassen den reinen Anteilen im Bild den Raum, in den Vordergrund zu treten. Du erzeugst so mehr Tiefe und auch mehr Spannung.

3. Keine Sorge vor zu schmutzigen Farbklängen. Es kommt sehr auf die Menge an! 

Hier kommt der Quantitäts-Kontrast ins Spiel.. Wenn du komplexe Farbklänge benutzt, kannst du die Anmutung variieren, je nachdem welche Quantität vorherrscht, also in der größten Menge vorhanden ist. Ist die größte Menge der Farbe im Bild frisch und klar, z. B. durch reine Blautöne, so werden ein paar kleine Stellen, gesetzt in trüben und warmen Tönen diesen frischen Klang nicht mindern. Sie sind dann eher wie die Prise Salz im Rührkuchen, das macht den Geschmack rund 😉

 

4. Unterstützt die Art des Farbauftrags die Farbgebung?

Weil alles miteinander arbeitet, können wir die Kontraste nicht voneinander trennen. Meistens sind mehrere im Bild vorhanden. Und natürlich ist es nicht nur die Farbwirkung, sondern auch die Art des Auftrags, ob eine Farbe im Bild dominant ist oder nicht. Pastos oder lasierend, strukturiert oder glatt, mit harter Kante oder mir viel weichem Übergang, all das hat auch eine Auswirkung auf die Wirkung der Farbe im Bildraum. Das macht die Sache so komplex, aber auch so spannend!

5. Spezielle Farbkombinationen aus verschiedenen Farbqualitäten transportieren unterschiedliche Stimmungen.

Experimentiere doch mal mit verschiedenen Qualitäten und schaue, wie sich das auf die Stimmung im Bild auswirkt. Farbtöne mit viel Gelbanteil lassen deine Malerei sonnendurchflutet wirken, viele helle Pastelltöne lassen an das Frühjahr denken, gebrochene warme Farben in dunkleren Nuancen wirken herbstlich. Versuche mal für dich unübliche Kombinationen, um zu sehen, welchen Einfluss die Farbgebung auf die Stimmung im Bild hat und damit auch auf den Betrachter hat.

6. Tipp für ganz gebrochene Farbklänge: Trübe Farben und Grautöne gemischt aus den Komplementärfarben

Das, was ich normalerweise nicht mache, um reine Farben im Bild zu erhalten, kann auch bewusst eingesetzt werden, um ganz gebrochene Klänge zu erzeugen: Die Mischung mit den Komplementärfarben. Wenn ich noch viel Weiß dazu gebe, erhalte ich farbige Grautöne, die sehr lebendig wirken.

Wie immer ist es ein Ausprobieren, Erproben und Wahrnehmen, um für sich die ausdrucksstärksten Lösungen zu finden. Farbgebung ist absolut individuell und die Vorlieben sind sehr unterschiedlich. Wichtig ist, dass du mit deinen Farbgebungen auch dich als Person als Künstler:in transportierst.

Ich würde mich freuen, bei dir neue Prozesse hinsichtlich Farbmischungen angestoßen zu haben und nun deine Sichtweise komplexer ist.

 

Viel Freude bei allen Experimenten, lass Farbe fließen,

Angelika

4 Kommentare

  1. Eva Maria Merz
    28. Februar 2023

    Hallo Angelika, dein Artikel über die Farbklänge/-kontraste spricht genau das aus, was ich auch so empfinde – dafür vielen Dank!
    Eine Frage hätte ich noch: Titanweiß macht die Farben pastelliger, aber gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Mischweiß und Zinkweiß ?….Oder ist das egal, welches weiß von den beiden ich nehme, um Farben heller, aber nicht pastellfarbener zu machen?
    LG Eva

    Antworten
    1. Angelika Biber
      28. Februar 2023

      Hallo liebe Eva, lieben Dank für deine Nachricht. Es kommt immer ein bisschen auf den Hersteller an, aber die Qualitätsunterschiede liegen häufig in der Deckkraft begründet.
      Ich selbst benutze meist Titanweiß, welches ja deckend ist. Mischweiß ist zum Beispiel von manchen Firmen nur halbdeckend, Zinkweiß ganz transparent. Die Farbe trocknet also durchsichtig auf. Ich mag die Pastelltöne sehr gerne, gerade in Kombination mit den Neon-Farben. Da ich meistens mit den Pastelltönen auch den Untergrund abdecken bzw. aufhellen möchte, ist Titanweiß meine Wahl.

      Lieben Gruß, Angelika

      Antworten
  2. Andrea von Tottleben
    4. März 2023

    Liebe Angelika,wieder ein interessanter Artikel,der Gewusstes wiederbelebt und auch Neugierig macht Neues auszuprobieren. Vielen Dank für deine Detaillierte Beschreibung, um Kontraste darzustellen.
    Liebe Grüße Andrea

    Antworten
    1. Angelika Biber
      9. März 2023

      Liebe Andrea, herzlichen Dank für deine Antwort. Es freut mich sehr, wenn ich dir dabei helfen konnte, Gelerntes wieder ins Bewusstsein zu bringen 🙂
      Viel Freude beim ausprobieren 🙂

      Lieben Gruß, Angelika

      Antworten

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